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Computational Thinking — Denken wie ein Computer

Es kann zu jeder Zeit und an jedem Ort stattfinden. Mal verläuft es unbewusst, mal bewusst. In der Summe wohl eher unbewusst. In manchen Situationen ist es sogar mit großer Anstrengung und Disziplin verbunden. Verfolgt man eine fesselnde Idee, lässt es sich kaum abstellen und kann sogar dazu führen, dass es einen um den Schlaf bringt. Die Rede ist vom Denken.

Denken - Ein faszinierender Vorgang

Das Denken beschäftigt die Menschheit schon seit geraumer Zeit. Vor allem die Philosophie widmet dem Denken seit je her viel Aufmerksamkeit. Mit seiner Schlussfolgerung „Ich denke, also bin ich“ sprach der französische Philosoph René Decartes dem Denken eine Argumentationsformel für die Gewissheit über die eigene Existenz zu und löste eine der populärsten Debatten in der Geschichte der Philosophie aus.
Auch die Psychologie schenkt dem Denken viel Kraft und Beachtung. In der kognitiven Psychologie werden mithilfe von Modellen, sogenannten kognitiven Architekturen, Denkvorgänge simuliert. Dabei wird das Denken häufig als Problemlöseprozess abgebildet. Die Annahme ist, dass beim Vorliegen eines Problems, d.h. wenn von einem Ist-Zustand nicht ohne weiteres der Soll-Zustand erreicht werden kann, Denkprozesse zur Lösung des Problems notwendig sind.

Denken neu gedacht

Neben der Philosophie und der Kognitionspsychologie, beschäftigt sich neuerdings auch die Computerwissenschaft mit den Vorgängen beim Denken. Unter dem Begriff Computational Thinking wird derzeit eine hitzige Diskussion geführt, inwiefern wir von den Denkweisen eines Computers lernen können. Die Begriffsschöpferin Jeanette Wing, ehemalige Vizepräsidentin von Microsoft Research, ist der Überzeugung, dass wir durch Computational Thinking effizienter Probleme lösen können bzw. schneller zu einem gesteckten Ziel gelangen. Der Gedanke dahinter ist, dass ein vorhandenes Problem in Teilprobleme oder -schritte zerlegt wird, zu denen dann Lösungsstrategien entworfen werden. Dadurch lassen sich sequenzielle und parallele Prozesse identifizieren, die es dann schrittweise abzuarbeiten gilt. Die Lösung der einzelnen Teilprobleme kann dann von Menschen oder Maschinen ausgeführt werden.

Viele Menschen denken bereits wie ein Computer

Das hinter dem Begriff Computational Thinking stehende Gedankengerüst wird im Alltag von vielen Menschen bereits angewendet. Zum Beispiel, wenn man für das Mittagessen mit der Familie kocht, wird das Problem „Rinderbraten mit Knödeln kochen“ in kleine Teilschritte (häufig in einem Rezept zu finden) zerlegt. Diese werden dann „sequenziell und parallel“ verarbeitet, indem man schrittweise Zutaten zufügt und darauf achtet, dass z.B. die Soße nicht anbrennt und die Knödel gar werden.

Computational Thinking in der Schule

Auch in der Schule gewinnt Computational Thinking mehr und mehr an Relevanz. Schülerinnen und Schüler lernen neben dem verantwortungsbewussten und reflektierten Umgang mit digitalen Medien auch das Programmieren. Dadurch erhalten sie Einblicke in die Denkweise eines Computers und können besser nachvollziehen, wie ein Computer Aufgaben bzw. Probleme löst.
Diese Strategien können sie dann auf andere Probleme übertragen und diese systematisch - in Form von zuvor abgeleiteten Teilproblemen - lösen.

Welchen Stellenwert Computational Thinking im internationalen Schulkontext einnimmt, lässt sich aber vor allem daran erkennen, dass Bildungsvergleichsstudien diese Kompetenz bereits überprüfen.
Nach 2013 nimmt Deutschland in diesem Jahr wieder an der internationalen Vergleichsstudie ICILS (International Computer and Information Literacy Study), die die Medienkompetenzen von Schülerinnen und Schülern der achten Klasse erfasst, teil.
Auf der Seite des Bildungsministeriums für Bildung und Forschung werden die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Studie beschrieben. Folgende fallen darunter:

  • Kompetenzen zur Nutzung von Technologien zur Recherche von Informationen
  • die Fähigkeit, die gefundenen Informationen im Hinblick auf ihre Qualität/Nützlichkeit zu bewerten
  • die Kompetenz, durch die Nutzung von Technologien Informationen zu verarbeiten und zu erzeugen,
  • die Kompetenz, neue Technologien zur Kommunikation von Informationen zu nutzen
  • Kompetenzen für einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)

Des Weiteren nimmt die Studie in den Blick, inwiefern das deutsche Schulsystem den Erwerb von ICT-Kompetenzen unterstützt und ob Medienkompetenzen im Zusammenhang mit Herkunft und Geschlecht stehen.
Erstmalig wird 2018 die International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), die verantwortlich für ICILS ist, in einem Zusatzmodul auch den Kompetenzbereich Computational Thinking betrachten.

Erstmalig wird 2018 bei der ICILS Studie ein Zusatzmodul für den Kompetenzbereich Computational Thinking überprüft werden.

Denken wie ein Computer UND denken wie ein Mensch

Computational Thinking wird in den kommenden Jahren verstärkt in den Lehrplan der jeweiligen Schulform aufgeführt sein. Schülerinnen und Schüler werden sich mit der Denkkonstrukt von Computern auseinandersetzen und dieses beim Lösen bestimmter Probleme anwenden.
Auch wenn wir von der Denkweise eines Computers beim Lösen von Problemen profitieren können, dürfen wir die menschliche Seite unseres Denkens nie aufgeben.
Menschen sind im Gegensatz zu Computern beim Denken von Gefühlen geleitet. Diese geben uns die Möglichkeit Entscheidungen auf einer zusätzlichen Grundlage zu treffen. Wir können uns in die Situation von anderen Personen hineinversetzen und dadurch einen Sachverhalt anders bewerten, als es eine Maschine machen würde.

Weil unser Denken von Gefühlen mitgesteuert wird, kann Computational Thinking nie unsere komplette menschliche Denkweise bestimmen. Und das ist auch gut so!

Alexander Sali
Über den Autor Alexander Sali Alex ist Mitgründer von Freigeist und Förderschullehrer mit großer Leidenschaft für digitale Medien. Seit Sommer 2023 ist er Schulleiter der Franziskus-Schule in Starnberg. Von Sept. 2018 bis Aug. 2020 arbeitete er an der Regierung von Oberbayern und war dort für die Koordination der digitalen Bildung an Förderschulen zuständig.
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